Executive Summary 25/05

Energiediskurs 2025 in der Villa Gary: Wie realistisch ist das Net – Zero – Ziel für 2045“

Verfassungsrechtliche Regelungen und Anpassungsbedarf des Klimaschutzgesetzes  

Die Stimmen nehmen zu, die das Erreichen des Net-Zero-Ziels für 2045 mit dem jetzigen Konzept der Energiewende für unrealistisch halten. Erinnert sei z.B. an eine Ende 2024 vom VKU gemeinsam mit dem DIHK veröffentlichte Studie oder die Kritik des Bundesrechnungshofs vom März 2024. Vor diesem Hintergrund wurde 20. Juni 2025 im „Energiediskurs 2025 in der Villa Gary“ erörtert, welche Spielräume das Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für Änderungen der derzeitigen deutschen Konzeption der Energiewende lässt und inwieweit das Klimaschutzgesetz angepasst werden kann und sollte.

Prof. Dr. Christian Pielow, Geschäftsführender Direktor am Institut für Berg- und Energierecht, Ruhr-Universität-Bochum, nahm zunächst Bezug auf Art. 20a GG. Danach schützt der Staat auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsgemäßen Ordnung, worunter auch der Klimaschutz zu verstehen ist. Damit sei jedoch kein („Umwelt“-) Grundrecht verbunden, sondern „nur“ eine objektive Staatszielbestimmung. Eine verbindliche Pflicht zum Klimaschutz für die Gesetzgebung etc. sei damit nicht verbunden, sondern es stelle vor allem einen Gesetzgebungsauftrag mit weitem Spielraum für den Gesetzgeber dar. Weder aus Art. 20a GG noch aus den Grundrechten gehe keine Verankerung konkreter Klimaschutzziele oder ein einklagbares Recht auf Klimaschutz einher. Diese blieben im Unterschied zu manchen ausländischen Rechtsordnungen Forderungen de constitutione ferenda. Allerdings seien immer auch die europarechtlichen Festlegungen mit seinen Klimaschutzvorhaben zu beachten. Der Klimaschutzbeschluss des BVerfG vom 24.März 2021 habe jedoch eine Zusammenschau von Art. 20a GG mit subjektiven Abwehrrechten aus Art. 2 II und 14 GG vorgenommen und sei zu einer intertemporalen (Generationengerechtigkeit!) und internationalen Dimension von Schutzansprüchen gelangt. Solange Rang & Wert des Klimaschutzes nicht vom GG selbst determiniert seien, sei eine praktische Konkordanz im Sinne von Konrad Hesse erforderlich. Art. 20a GG genieße keinen unbedingten Vorrang, sondern sei im Konfliktfall in einen Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen. Prof. Pielow wies darauf hin, dass der „Klimabeschluss“ des Bundesverfassungsgerichts bislang ohne allzu große praktische Relevanz geblieben sei. Sodann sprach er über die Bedeutung der Kredit-Ermächtigung für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 in dem neuen Art. 143h GG n.F im Rahmen der Verhandlungen zur Neuregelung der „Schuldenbremse“. Die dadurch hervorgerufene Diskussion war jedoch seines Erachtens übertrieben, denn diese Erwähnung habe nach der herrschenden Meinung in der Rechtswissenschaft nicht dazu geführt, dass ein weiteres „Staatsziel“ definiert worden sei, sondern die Zweckbindung eines Teils der Kreditermächtigung erfordere vielmehr eine „autonome“ Auslegung im Kontext. Als drängende und weiterhin offene Verfassungsrechtsfragen betrachtet er die Gewichtung zwischen Klimaschutz und (Energie-) Versorgungssicherheit sowie Preiswürdigkeit („Generationengerechtigkeit“) sowie die Sicherung politischer Leitentscheidungen über die Legislaturperiode hinaus.  

Dr. Eberhard von Rottenburg, stellvertretender Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik BDI, führte aus, dass die aktuelle, von internationalen Krisen gezeichnete Situation auch die Frage aufwerfe, ob die einst gesetzten Klimaschutzziele noch erreichbar seien, und verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die neue Bundesregierung bis zum Frühjahr 2026 ein Klimaschutzprogramm vorzulegen habe. Auch mit Blick auf die von der EU in Kürze zu erwartende Bekanntgabe des Klimaschutzzwischenziels für 2040 solle über die Möglichkeit nachgedacht werden, dass ein gewisser Prozentsatz von C02- Reduktionen im Ausland erbracht werden könne. Er zeigte sich angesichts der aktuellen Situation zudem skeptisch gegenüber der Einführung des EU – ETS II und stellte die Frage in den Raum, inwiefern es klimaschutzpolitisch angesichts der weltweiten Entwicklungen zielführend sei, geplante nationale Minderungsziele ohne Rücksicht darauf durchzusetzen; dass immer stärker in die Lebenswirklichkeiten der Menschen vor Ort eingegriffen werde. Er wies auch darauf hin, dass im Kontext der Klimaschutzpolitik eine Force Majeure-Klausel fehle, mittels derer sichergestellt werde, dass in Fällen unvorhersehbarer und unabwendbarer Ereignisse, die eine Zielerreichung mit zumutbaren Mitteln unmöglich machten, Leistungspflichten nicht unter allen Umständen erfüllt werden müssen. Er unterstrich, dass das Klimaschutzgesetz um die Möglichkeit ergänzt werden müsse, Reduktionsziele anzupassen. Diesbezüglich sah er die deutsche Politik in der Pflicht und verwies auf andere EU – Mitgliedsländer, die sich sehr viel flexibler zeigten.

Dr. Christoph Riechmann, Frontier Economics, ergänzte, dass wenn man mit einer Konzeption von einem Gesamtbudget an C02-Emissionen für Deutschland herangehe, das zur Verfügung stehende im Grunde bereits so gut wie aufgebraucht sei. Derzeit zu verzeichnende C02-Minderungen seien aber im Wesentlichen durch den Rückgang der industriellen Produktion zurückzuführen. Wir müssten uns daher mit der Frage befassen, welche alternativen Schritte/Maßnahmen in Frage kommen, wenn die gesetzten Klimaschutzziele auf dem derzeitigen deutschen Weg der Energiewende nicht erreichbar sind.  

Zusammenfassung der anschließenden Diskussion:

Die Teilnehmer stimmten darin überein, dass die aktuellen Klimaschutzziele nur mittels radikaler Ansätze zu erreichen seien. Dafür sei jedoch – derzeit – unter den Wählern keine Akzeptanz vorhanden. Die Politik vermeide es, die Zielkonflikte zu benennen; z. B. auch mit Blick auf die Frage nach der Resilienz unserer Volkswirtschaft. Damit sich kein massiver Konflikt aufbaue, dürfe das Thema nicht zur „Glaubensfrage“ stilisiert werden, es sei zwischen Zielen und Instrumenten zu unterscheiden. Man müsse den Instrumentenkasten erweitern und alle denkbaren technischen Lösungen einschließlich der erforderlichen Geschäftsmodelle zulassen. Auch müsse es einen gesellschaftlichen „Mind–Change“ in dem Sinne geben, dass ein Strukturwandel gesellschaftlich akzeptiert werde. Heftig diskutiert wurde, welchem der Ziele des energiewirtschaftlichen Zieldreiecks der Vorrang gebühre: Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit oder Nachhaltigkeit bzw. Klimaschutz. Mit Blick auf das Thema Versorgungssicherheit wurde klargestellt, dass die Abwägung im regulierten Netzbereich per Bepreisung erfolge und die Gewährleistungspflicht beim Staate liege. Die Erzählung, dass von der Politik gesetzte C02- Reduktionsziele zu Innovationen in der Industrie führen würden, habe ausgedient. Als Beispiel dafür wurde das Verbrennerverbot genannt, welches ein Verbot einer gewissen Technik, aber keine wirkliche Innovation darstelle. In Deutschland fänden zu wenig Innovationen statt. „Nur weil man an den Grashalmen ziehen würde, würde das Gras nicht schneller wachsen“. Wir danken den beiden Sprechern des Workshops, Prof. Dr. Pielow und Dr. von Rottenburg, vielmals für ihre Vorträge und die Beteiligung an der Diskussion. Die Präsentationen werden in Kürze auf der Website zum Download zur Verfügung stehen.

„Energiediskurs 2025 in der Villa Gary: Wie realistisch ist das Net – Zero – Ziel für 2045“ Verfassungsrechtliche Regelungen und Anpassungsbedarf des Klimaschutzgesetzes  
Berlin, 20. Juni 2025 – Die Stimmen nehmen zu, die das Erreichen des Net-Zero-Ziels für 2045 mit dem jetzigen Konzept der Energiewende für unrealistisch halten. Erinnert sei z.B. an eine Ende 2024 vom VKU gemeinsam mit dem DIHK veröffentlichte Studie oder die Kritik des Bundesrechnungshofs vom März 2024. Vor diesem Hintergrund wurde 20. Juni 2025 im „Energiediskurs 2025 in der Villa Gary“ erörtert, welche Spielräume das Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für Änderungen der derzeitigen deutschen Konzeption der Energiewende lässt und inwieweit das Klimaschutzgesetz angepasst werden kann und sollte.
Prof. Dr. Christian Pielow, Geschäftsführender Direktor am Institut für Berg- und Energierecht, Ruhr-Universität-Bochum, nahm zunächst Bezug auf Art. 20a GG. Danach schützt der Staat auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsgemäßen Ordnung, worunter auch der Klimaschutz zu verstehen ist. Damit sei jedoch kein („Umwelt“-) Grundrecht verbunden, sondern „nur“ eine objektive Staatszielbestimmung. Eine verbindliche Pflicht zum Klimaschutz für die Gesetzgebung etc. sei damit nicht verbunden, sondern es stelle vor allem einen Gesetzgebungsauftrag mit weitem Spielraum für den Gesetzgeber dar. Weder aus Art. 20a GG noch aus den Grundrechten gehe keine Verankerung konkreter Klimaschutzziele oder ein einklagbares Recht auf Klimaschutz einher. Diese blieben im Unterschied zu manchen ausländischen Rechtsordnungen Forderungen de constitutione ferenda. Allerdings seien immer auch die europarechtlichen Festlegungen mit seinen Klimaschutzvorhaben zu beachten. Der Klimaschutzbeschluss des BVerfG vom 24.März 2021 habe jedoch eine Zusammenschau von Art. 20a GG mit subjektiven Abwehrrechten aus Art. 2 II und 14 GG vorgenommen und sei zu einer intertemporalen (Generationengerechtigkeit!) und internationalen Dimension von Schutzansprüchen gelangt. Solange Rang & Wert des Klimaschutzes nicht vom GG selbst determiniert seien, sei eine praktische Konkordanz im Sinne von Konrad Hesse erforderlich. Art. 20a GG genieße keinen unbedingten Vorrang, sondern sei im Konfliktfall in einen Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen. Prof. Pielow wies darauf hin, dass der „Klimabeschluss“ des Bundesverfassungsgerichts bislang ohne allzu große praktische Relevanz geblieben sei. Sodann sprach er über die Bedeutung der Kredit-Ermächtigung für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 in dem neuen Art. 143h GG n.F im Rahmen der Verhandlungen zur Neuregelung der „Schuldenbremse“. Die dadurch hervorgerufene Diskussion war jedoch seines Erachtens übertrieben, denn diese Erwähnung habe nach der herrschenden Meinung in der Rechtswissenschaft nicht dazu geführt, dass ein weiteres „Staatsziel“ definiert worden sei, sondern die Zweckbindung eines Teils der Kreditermächtigung erfordere vielmehr eine „autonome“ Auslegung im Kontext. Als drängende und weiterhin offene Verfassungsrechtsfragen betrachtet er die Gewichtung zwischen Klimaschutz und (Energie-) Versorgungssicherheit sowie Preiswürdigkeit („Generationengerechtigkeit“) sowie die Sicherung politischer Leitentscheidungen über die Legislaturperiode hinaus.   Dr. Eberhard von Rottenburg, stellvertretender Abteilungsleiter Energie- und Klimapolitik BDI, führte aus, dass die aktuelle, von internationalen Krisen gezeichnete Situation auch die Frage aufwerfe, ob die einst gesetzten Klimaschutzziele noch erreichbar seien, und verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die neue Bundesregierung bis zum Frühjahr 2026 ein Klimaschutzprogramm vorzulegen habe. Auch mit Blick auf die von der EU in Kürze zu erwartende Bekanntgabe des Klimaschutzzwischenziels für 2040 solle über die Möglichkeit nachgedacht werden, dass ein gewisser Prozentsatz von C02- Reduktionen im Ausland erbracht werden könne. Er zeigte sich angesichts der aktuellen Situation zudem skeptisch gegenüber der Einführung des EU – ETS II und stellte die Frage in den Raum, inwiefern es klimaschutzpolitisch angesichts der weltweiten Entwicklungen zielführend sei, geplante nationale Minderungsziele ohne Rücksicht darauf durchzusetzen; dass immer stärker in die Lebenswirklichkeiten der Menschen vor Ort eingegriffen werde. Er wies auch darauf hin, dass im Kontext der Klimaschutzpolitik eine Force Majeure-Klausel fehle, mittels derer sichergestellt werde, dass in Fällen unvorhersehbarer und unabwendbarer Ereignisse, die eine Zielerreichung mit zumutbaren Mitteln unmöglich machten, Leistungspflichten nicht unter allen Umständen erfüllt werden müssen. Er unterstrich, dass das Klimaschutzgesetz um die Möglichkeit ergänzt werden müsse, Reduktionsziele anzupassen. Diesbezüglich sah er die deutsche Politik in der Pflicht und verwies auf andere EU – Mitgliedsländer, die sich sehr viel flexibler zeigten. Dr. Christoph Riechmann, Frontier Economics, ergänzte, dass wenn man mit einer Konzeption von einem Gesamtbudget an C02-Emissionen für Deutschland herangehe, das zur Verfügung stehende im Grunde bereits so gut wie aufgebraucht sei. Derzeit zu verzeichnende C02-Minderungen seien aber im Wesentlichen durch den Rückgang der industriellen Produktion zurückzuführen. Wir müssten uns daher mit der Frage befassen, welche alternativen Schritte/Maßnahmen in Frage kommen, wenn die gesetzten Klimaschutzziele auf dem derzeitigen deutschen Weg der Energiewende nicht erreichbar sind.   Zusammenfassung der anschließenden Diskussion: Die Teilnehmer stimmten darin überein, dass die aktuellen Klimaschutzziele nur mittels radikaler Ansätze zu erreichen seien. Dafür sei jedoch – derzeit – unter den Wählern keine Akzeptanz vorhanden. Die Politik vermeide es, die Zielkonflikte zu benennen; z. B. auch mit Blick auf die Frage nach der Resilienz unserer Volkswirtschaft. Damit sich kein massiver Konflikt aufbaue, dürfe das Thema nicht zur „Glaubensfrage“ stilisiert werden, es sei zwischen Zielen und Instrumenten zu unterscheiden. Man müsse den Instrumentenkasten erweitern und alle denkbaren technischen Lösungen einschließlich der erforderlichen Geschäftsmodelle zulassen. Auch müsse es einen gesellschaftlichen „Mind–Change“ in dem Sinne geben, dass ein Strukturwandel gesellschaftlich akzeptiert werde. Heftig diskutiert wurde, welchem der Ziele des energiewirtschaftlichen Zieldreiecks der Vorrang gebühre: Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit oder Nachhaltigkeit bzw. Klimaschutz. Mit Blick auf das Thema Versorgungssicherheit wurde klargestellt, dass die Abwägung im regulierten Netzbereich per Bepreisung erfolge und die Gewährleistungspflicht beim Staate liege. Die Erzählung, dass von der Politik gesetzte C02- Reduktionsziele zu Innovationen in der Industrie führen würden, habe ausgedient. Als Beispiel dafür wurde das Verbrennerverbot genannt, welches ein Verbot einer gewissen Technik, aber keine wirkliche Innovation darstelle. In Deutschland fänden zu wenig Innovationen statt. „Nur weil man an den Grashalmen ziehen würde, würde das Gras nicht schneller wachsen“. Wir danken den beiden Sprechern des Workshops, Prof. Dr. Pielow und Dr. von Rottenburg, vielmals für ihre Vorträge und die Beteiligung an der Diskussion. Die Präsentationen werden in Kürze auf der Website zum Download zur Verfügung stehen.
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