Energiediskurs 2025 in der Villa Gary: Wie realistisch ist das Net – Zero – Ziel für 2045
Welche industriepolitischen Folgen hat das Festhalten an dem Net Zero Ziel 2045?
Die Stimmen, die das Erreichen des Net-Zero-Ziels für 2045 für unrealistisch halten, werden zahlreicher. Bereits Ende 2024 hatten VKU und DIHK in einer Studie darauf hingewiesen. Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen des neuen Formates „Energiediskurs 2025 in der Villa Gary“ darüber diskutiert, welche Folgen das Festhalten an diesem Ziel für die Industrie und den Standort Deutschland haben wird.
Dr. David Bothe und Dr. Christoph Riechmann,beide Direktoren bei Frontier Economics legten dar, dass die geplante Umsetzung der Energiewende in Deutschland mit einem massiven Investitionsbedarf (5 Bio. € bis 2049) verbunden sei und dies die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Staates und der Wirtschaft überfordere.
Infolgedessen würde die Volkswirtschaft auch perspektivisch nicht wachsen, sondern schrumpfen. Hinzu kämen dauerhaft hohe Energiepreise – Gas und Strom kosten aktuell etwa doppelt so viel wie vor Beginn des Ukrainekriegs. Damit fehlten den energieintensiven Industrien die Voraussetzungen für Investitionen. Infolgedessen würde die Volkswirtschaft auch perspektivisch nicht wachsen, sondern schrumpfen. Schließlich verwiesen, sie auf den Sachverhalt, dass sich aufgrund der Energiewende die Verteilung der Wertschöpfungsketten zum Nachteil des Industriestandortes Deutschland ändern würden und wir uns im Ergebnis aufgrund dieser systematischen Kostennachteile auf dauerhafte Wohlstandverluste einstellen müssten. Erste Anzeichen für Investitionszurückhaltung und De-growth sind bereits sichtbar.
Dr. Bothe und Dr. Riechmann empfahlen daher dringend, an einem Plan B für die Energiewende zu arbeiten. Einen ersten Vorschlag für die Ausgestaltung eines solchen Plan B hat Frontier unter dem Title „Neue Wege für die Energiewende“ im Auftrag des DIHK Anfang September d.J. vorgelegt. Die Politik muss Klarheit für die Investoren schaffen, um ihnen zeitnah neue Investitionsentscheidungen zu ermöglichen. Dazu bedarf es einer realistischen Klimapolitik und der Vermeidung strategischer Abhängigkeiten, um die Resilienz der Volkswirtschaft zu erhöhen, wozu auch der Erhalt eines gewissen Maßes an Grundstoffindustrien in Deutschland gehört, sowie eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Enno Harks, Director External Affairs & Communications und Leiter Hauptstadtbüro Berlin BP Europa SE, führte aus, dass seine Branche besonders unter den hohen Energiepreisen und den Sanktionen gegen Russland leide. Hinzu kämen die indirekten Folgen der Sanktionen in Form von russischen Dumpingpreisen für Mineralölprodukte weltweit. Schließlich leide die Mineralölindustrie in Europa unter den hohen C02 – Preisen und dem Sachverhalt, dass es ab 2039 gar keine C02 – Emissionshandelszertifikate mehr gebe. Branchenintern sei vom „Endqame 2039“ die Rede. Infolgedessen würden notwendige Investitionen in die Mineralölindustrie unterbleiben und wichtige Ausgangsprodukte wie Nafta stünden für alle weiterverarbeitenden Industrien am Industriestandort Deutschland und Europa perspektivisch jedenfalls nicht mehr aus einheimischer Produktion zur Verfügung. Alternative Quellen, wie z.B. durch Biomasse oder CCS, seinen bei genauerer Betrachtung wirtschaftlich nicht realistisch. Da Deutschland absehbar keine die Volkswirtschaft tragenden alternativen Wirtschaftszweige habe bzw. aufbauen könne, könne wieder zunehmendes Wirtschaftswachstum nicht erwartet werden. Das Gegenteil sei der Fall. Abhilfe könne es durch eine ETS-Reform in der Art und Weise geben, dass die europäischen Klimaschutzziele an die weltweiten Reduktionsziele angepasst werden oder es zumindest so lange eine kostenlose Zertifikatszuteilung für die energieintensiven Industrien gäbe, bis der Zertifikatehandel weltweit eingeführt sei. Gegebenenfalls sei kurzfristig daran zu denken, nur die EVU´s in den Geltungsbereich es ETS einzubeziehen und die energieintensiven Industrien auszunehmen. Der CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism) biete in der jetzigen Ausgestaltungsform wenig Schutz vor den Wettbewerbsnachteilen der energieintensiven Industrien.
Malte Bornkamm, Referatsleiter,IV D 2, Marktrahmen zur Dekarbonisierung der Industrie, im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ließ erkennen, dass das BMWE die Dringlichkeit der Sachlage erkannt habe; auch wenn die Politik in der Vergangenheit die Gefahr des Investitionsattentismus unterschätzt und keine Antwort auf den Sachverhalt habe, dass z. B. chinesische Unternehmen zu 100% kostenlos mit Zertifikaten ausgestattet würden. Seitens des BMWE gehe man infolgedessen nicht davon aus, dass es absehbar zu einer Verschärfung der C02- Reduktionsziele seitens der EU komme. Der Weggang der energieintensiven Industrie solle verhindert werden; die Notwendigkeit einen Plan B zu arbeiten sei erkannt.
Zusammenfassung der anschließenden Diskussion:
Alle Beteiligten stimmten darin überein, dass im Falle des Verlustes der energieintensiven Industrien dem Klimaschutz ein Bärendienst erwiesen sei und uns am Standort Deutschland insbesondere mit den Grundstoffindustrien wichtige Bestandteile der Wertschöpfung fehlen würden. Wir sollten großes Interesse an der Erhaltung der energieintensiven Industrien haben; einschließlich der zum Teil „Upstream“ gehörenden Teile. Die Wiederbelebung der heimischen Rohstoffförderung wurde vorgeschlagen und die Entwicklung von Industrieprozessen zur Kreislaufförderung. Ferner sollten Lieferketten systematisch geschützt, der ETS und CBAM reformiert werden.
Auf die Frage, welche Alternativen es zu den energieintensiven Industrien gibt, wurde zunächst darauf verwiesen, dass Wachstumsbranchen wie künstliche Intelligenz und Rüstung ebenfalls energieintensiv seien; die Politik insofern vor dem gleichen Problem stünde. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, wurde die Intensivierung von Bildungsangeboten insbesondere in den Ingenieurswissenschaften genannt; bürokratische Hürden sollten abgebaut und der Wandel zu mehr Innovationsfreude unterstützt werden. Verbote wie wir sie z. B. im Bereich der Gentechnik und verschiedener Aktivitäten im Bereich der Radioaktivität sollten abgebaut werden. Hindernisse auf dem Weg zu den alternativen Wirtschaftszweigen wurden in dem Umstand gesehen, dass neue Technologien bereits in anderen Volkswirtschaften der Welt angesiedelt seien und uns das geopolitische Gewicht und die geostrategischen Ressourcen, wie sie die USA haben, fehlten, um diesen Prozess umzukehren.
Einige Teilnehmer erinnerten daran, dass auch eine Deindustrialisierung bewältigbar sei – das Beispiel Großbritannien in den 1970er/80er Jahren wurde genannt. Letztlich müsse jede Volkswirtschaft lernen, mit endlichen Ressourcen umzugehen.
Wir danken den Sprechern des Workshops, Dr. Riechmann und Dr. Bothe sowie Herrn Harks und Herrn Bornkamm, vielmals für ihre Vorträge und die Diskussion. Die Präsentationen werden in Kürze auf der Website (Presse/Publikationen) zum Download zur Verfügung stehen
Über den Veranstalter des Energiediskurs 2025: Veranstalter ist die Berca GmbH, die konfessionell und parteipolitisch unabhängige Betreiberin der Villa Gary. Inhaltlich organisiert und durchgeführt wird der Energiediskurs 2025 von Dr. Annette Nietfeld, die über mehr als 20 Jahre Erfahrung als Geschäftsführerin des Forum für Zukunftsenergien verfügt, und Dr. Kai Uwe Pritzsche, der seit mehr als 30 Jahren als Wirtschaftsanwalt mit Schwerpunkt im Energiesektor tätig ist. Kontakt über kai.pritzsche@plegal.de oder nietfeld@nietfeld.berlin Die Diskursveranstaltungen finden in der Villa Gary statt, einer denkmalgeschützten Villa mit wunderschönem Garten in Berlin Lichterfelde-West, Unter den Eichen 91, 12205 Berlin. Sie steht als exklusiver Veranstaltungsort zur Verfügung, ist mit der heute notwendigen Technik ausgestattet und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen.
Berlin, den 7. Oktober 2025 Dr. Annette Nietfeld Dr. Kai Uwe Pritzsche